Eine Stadt entdeckt die Jugend

MENSCHEN - DAS MAGAZIN, 1/2009

Projekte sind auf Dauer zu wenig. Das Jugendamt Essen tüftelt mit den Jugendlichen jetzt einen Weg aus, um die Mitspracherechte der jungen Menschen auch langfristig zu sichern.

Die 16-jährige Katharina Schigulski sitzt in einer winzigen Umkleidekabine in der Sporthalle in der Wüstenhofer Straße in Essen-Borbeck. Auf den Bänken und auf dem Boden liegen rosa T-Shirts und Sandalen. Ab und zu stürmt ein verschwitztes Mädchen rein, hängt sich über das Waschbecken und trinkt. Dann verschwindet es wieder in der Halle. „Das Gute hier ist, dass man alle seine Freunde mitbringen darf und alles ausprobieren kann, was man möchte“, sagt Katharina.

Der offene Sportnachmittag ist die erste große Errungenschaft der jungen Borbecker. Bis zu vierzig Kinder und Jugendliche toben jeden Mittwoch durch die abgenutzte 50er-Jahre-Halle. Katharina hat den Nachmittag mit erfunden und in Zusammenarbeit mit der Bezirksvertretung organisiert. Dabei erwies sie nicht nur den Jugendlichen einen Dienst, sondern auch der Stadt. Essen will die erste Großstadt sein, in der Jugendliche in den Bezirken mitbestimmen können. „Auf ein Projekt bezogen kann man Partizipation sehr einfach umsetzen“, sagt Gudrun Potysch-Wieczorek, Abteilungsleiterin beim Essener Jugendamt, „das ist uns aber zu wenig: Wir wollen dauerhafte Strukturen."

Vor drei Jahren hat die Stadt dazu die ersten Schritte unternommen. Erst theoretisch in Form eines Konzepts, das der Oberbürgermeister beim Förderprogramm „mitWirkung!“ der Bertelsmann Stiftung einreichte. Dann, als die Stadt den Zuschlag erhielt, startete das Jugendamt Umfragen unter Jugendlichen, führte Gespräche in den Bezirken und Ämtern und entwickelte eine Internet-Plattform. Im Februar 2007 lud die Stadt schließlich die ersten Jugendlichen zum „Pimp your Stadtteil“-Festival in Borbeck ein, das sich als Testbezirk zur Verfügung gestellt hatte. Dort entstand auch die Idee für den Sportnachmittag. „Wir haben abgestimmt und das war eins der Projekte, die am häufigsten gewählt wurden“, sagt Katharina.

Ein anderes Projekt hängt in Borbeck noch in der Warteschleife: ein überdachter Treffpunkt im Zentrum. Die Bezirksvertretung bewilligte den Jugendlichen 9000 Euro dafür. Kurz vor Baubeginn legten Anwohner jedoch Beschwerde ein. Katharina findet das nicht schlimm. „Wir müssen jetzt eben einen neuen Platz finden“, sagt sie. Außerdem sucht sie zusammen mit ihren sechs Mitstreitern noch ein Büro in der Fußgängerzone, damit die Borbecker Jugendlichen sie besser finden.

Gudrun Potysch-Wieczorek ist optimistisch, dass Essen sein ehrgeiziges Ziel erreicht. Nach Borbeck haben sich drei weitere der insgesamt neun Bezirke bereit erklärt, ihre Jugendliche zu beteiligen. Für die gebürtige Essenerin spricht genau das für eine stärkere Beteiligung. „Wenn man die Jugendlichen von Anfang an mitnimmt, dann werden später daraus vielleicht Bürger, die sagen: `Das ist meine Stadt. Ich habe sie mitgebaut und ich kümmere mich darum.´"